Liebe Bürgerinnen,
liebe Bürger,
der Bund der Steuerzahler hat ermittelt, dass die Abwassergebühr der Gemeinde Titz die höchste im Land Nordrhein-Westfalen ist. Grundlage hierfür war eine landesweite Erhebung der jeweiligen Schmutz- und Niederschlagswassergebührensätze für einen vierköpfigen Musterhaushalt mit einem angenommenen Wasserverbrauch von 200 cbm und einer versiegelten Grundstücksfläche von 130 qm. Verständlicher Weise hat die entsprechende Berichterstattung in den Medien viele Einwohnerinnen und Einwohner unserer Landgemeinde verunsichert und zu zahlreichen Spekulationen über die Ursachen der rekordverdächtigen Gebührenbelastung geführt.
Die Verwaltung hat bereits in umfangreicher Form über einen im Frühjahr veröffentlichten Artikel im Amtsblatt (Ausgabe Nr. 3/2011) die besonderen Rand- und Rahmenbedingungen der Abwasserentsorgung in unserer Gemeinde dargestellt; diese sind nahezu idealtypisch für weite Teile des ländlichen Raum, der geprägt ist von
- einer vergleichsweisen geringen Einwohnerdichte,
- also wenigen Einwohnerinnen und Einwohnern in der Fläche,
- die in der Gemeinde Titz zudem in zahlreichen, teils weit voneinander entfernt liegenden, Ortsteilen leben.
Dies trifft sicherlich auf zahlreiche Kommunen im ländlichen Raum zu. Für die Gemeinde Titz gibt es darüber hinaus weitere – und in deren Folge kostenintensive – Besonderheiten:
- Aufgrund ihrer Lage an verschiedenen Wasserscheiden ist die Gemeinde Titz an gleich drei (!) verschiedenen Wasserverbänden beteiligt (Erftverband, Niersverband, Wasserverband Eifel-Rur). Das heißt nicht nur, dass die Gemeinde Beiträge an drei Verbände zu entrichten hat, sondern bedeutet auch, dass die Abwässer der rund 8.300 in der Gemeinde lebenden Menschen je nach Ortsteil (und Zuständigkeit des jeweiligen Wasserverbands) zu verschiedenen Kläranlagen transportiert werden müssen.
- Diese Kläranlagen sind wegen der Randlage der Gemeinde Titz an gleich zwei Braunkohletagebaue (im Süden der Gemeinde liegt bekanntlich die Sophienhöhe als Abraumhalde des Tagebaus Hambach, im Nordosten bzw. Norden wird unsere Gemeinde durch den Tagebau Garzweiler tangiert) nur in einem Fall, nämlich in Bettenhoven, ortsnah im oder am Rand des Gemeindegebiets gelegen. Folge sind entsprechend lange Leitungsstrecken, über die die Abwässer zu transportieren sind.
- Für den drastischen Sprung der Abwassergebühr gerade ab 2011 ist neben diesen Besonderheiten die auslaufende Betriebsgenehmigung der Kläranlage Hompesch verantwortlich. Die Bezirksregierung Köln hat der Gemeinde Titz nämlich vor einigen Jahren mitgeteilt, dass der Betrieb der Kläranlage einzustellen ist, sofern die Anlage nicht ertüchtigt wird.
- Diese Ertüchtigung hätte nach Berechnungen des Wasserverbands Eifel-Rur – dieser betreibt die Kläranlagen im Einzugsbereich der Rur – Investitionen in einer Größenordnung von rund acht Mio. Euro erfordert. Der Rat der Gemeinde Titz hat deshalb auf der Basis einer durch den Wasserverband vorgelegten Vergleichsrechnung die Schließung der Kläranlage beschlossen und stattdessen der Errichtung eines Verbindungs- und Transportsammlers zur mehrere Kilometer entfernten Kläranlage der Nachbarstadt Jülich zugestimmt, die noch über freie Kapazitäten verfügt.
- Der Anteil der Gemeinde Titz an den Investitionskosten für diese Leitung beträgt rund vier Mio. Euro; damit war der Bau des Kanalsammlers nach Jülich zwar immer noch deutlich sparsamer als die Ertüchtigung der alten Kläranlage Hompesch. Dennoch hat die Investition dazu geführt, dass sich ab dem Jahr 2011 der Beitrag der Gemeinde Titz an den Wasserverband Eifel-Rur gegenüber dem Vorjahr um 400.000 Euro erhöht hat; dies entspricht einer Beitragssteigerung um annähernd 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr!
Ich darf Ihnen versichern: Obwohl sich die Errichtung des Verbindungs- und Transportsammlers zur Jülicher Kläranlage deutlich günstiger darstellt als die alternativ denkbare Ertüchtigung der bisher genutzten Anlage im Titzer Gemeindegebiet, fiel dem Gemeinderat diese – im Übrigen einstimmig zustande gekommene – Entscheidung schwer, wussten die Ratsmitglieder doch, dass sie hinsichtlich der Kostensituation und der Folgen für die Abwassergebühr gewissermaßen nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hatten.
Um es deutlich zu machen:
Mit der Gebühr legt die Gemeinde Titz ausschließlich die betriebswirtschaftlich ermittelten Kosten für die Abwasserbeseitigung um. Diese Kosten setzen sich in erster Linie aus den – für die Gemeinde selbst nicht beeinflussbaren – Beiträgen an die Wasserverbände und darüber hinaus aus Abschreibungen und Zinsen für die Kanalleitungen zusammen, die sich noch in gemeindlichem Besitz befinden.
Das heißt:
Die Erzielung von Gewinnen durch Gebühren ist unzulässig! Mit der Abwassergebühr werden also lediglich die betriebswirtschaftlichen Kosten refinanziert, die der Gemeinde auch tatsächlich entstehen.
Also leisten Sie mit Ihren Gebühren beispielsweise keinen Beitrag zur Sanierung des Gemeindehaushalts, zur Finanzierung von Personalkosten (außerhalb des Abwasserbereichs), zur Beschaffung von Ausstattungsgegenständen in Schulen, Kindergärten, Feuerwehren oder in der Verwaltung oder zur Modernisierung bzw. Unterhaltung des gemeindlichen Immobilienbestands. Solche Maßnahmen hat die Gemeinde – völlig unabhängig von der Abwassergebühr – auf andere Weise zu finanzieren. Ihre Gebühr ist also zweckgebunden und dient allein der Deckung der reinen Kosten für die Abwasserbeseitigung!
Ich hoffe, dass ich deutlich machen konnte, dass die Gebührenhöhe den besonderen Anforderungen, die die Gemeinde im Zusammenhang mit der Behandlung und Beseitigung des Abwassers erbringen muss, geschuldet ist. Dennoch: Obwohl weite Teile der Kosten (z.B. die Beiträge an die Wasserverbände) durch die Gemeinde nicht beeinflussbar sind, ist wohl keiner der Entscheidungsträger aus Rat und Verwaltung auf den „Spitzenplatz“ unserer Landgemeinde stolz. Ich selbst sehe die Schmerzgrenze längst erreicht, weil ich weiß, dass die Höhe der Abwassergebühr zu einer enormen Belastung für die hier lebenden Menschen führt.
Deshalb habe ich den Gebührenvergleich des Bunds der Steuerzahler zum Anlass genommen, dem Minister für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Herrn Ralf Jäger, unsere besondere Situation mitzuteilen. In meinem Schreiben habe ich um spürbare Hilfe mit dem Ziel gebeten, Ihre Abgabenlast auf Dauer zu reduzieren. Nach meiner Auffassung ist das Land NRW gefordert, seinen verfassungsmäßigen Auftrag der „Schaffung gleicher Lebensverhältnisse“ durch Gewährung einer Abwassergebührenhilfe für die Menschen in unserer Gemeinde Rechnung zu tragen.
Mein Schreiben an Herrn Landesminister Jäger steht für Sie zu Ihrer Information nachfolgend zum Download bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Jürgen Frantzen
Bürgermeister